Rehehausen – Schönstes Dorf der Welt MZ-Artikel vom 01.04.2019:
von Andreas Löffler
Rehehausen – Es sieht einfach picobello aus hier; Häuser, Straßen – alles ist gemacht und saniert, es gibt praktisch keinen Leerstand“, unterstreicht Beate Massier. „Unsere Lage im Lanitztal ist wahrhaft idyllisch, nicht umsonst führt ein Naturlehrpfad an unserem Ort entlang“, sekundiert Marlies Nägler. „Die Anbindung an die Bahn im nahe gelegenen Großheringen ist gut, und in einer halben Stunde ist man auf sämtlichen Autobahnen im Umkreis“, ergänzt Silvio Frenzel. „Es gibt einen buchstäblich familiären Zusammenhalt im Ort; viele Heranwachsende sind auch nach ihrer eigenen Familiengründung geblieben. Wir fühlen uns sicher hier, die Kinder können draußen frei und unbeschwert herumtoben. Sie kriegen Schafe zu sehen und bekommen mit, dass Kühe gar nicht lila sind wie in der Werbung“, führt Cliff Rößler weitere Punkte an: „Kurzum: Rehehausen ist das schönste Dorf der Welt!“, sagt er voller Überzeugung.
Dass die vier langjährigen Einwohner des 154-Seelen-Ortes westlich von Bad Kösen die Dinge so sehen: geschenkt. Doch es gibt auch gewichtige Fürsprecher von außerhalb: „Ein Ehepaar aus der Schweiz hat ein in den Berg gebautes Haus hier bei einer Internetauktion ersteigert und uns versichert, dass man keineswegs versehentlich den falschen Knopf gedrückt habe. Einen solchen Blick übers Tal – genau das hätten sie gesucht und just in Rehehausen gefunden. Wenn die beiden in drei Jahren in den Ruhestand gehen, wollen sie sich dauerhaft hier ansiedeln“, schildert Cliff Rößler.
„Und ein Geschäftsmann aus Gütersloh hat – einfach, weil es ihm hier so gut gefiel – das kurz vorm Abriss stehende Pfarrhaus für mehrere Hunderttausend Euro liebevoll und denkmalgerecht saniert und dort zwei Mietwohnungen geschaffen“, führt Marlies Nägler einen weiteren „Beweis“ an. „Was besonders schön ist: Die Mieter besitzen den berühmten grünen Daumen und haben Umfeld und Garten in ein kleines Paradies verwandelt“, ergänzt Silvio Frenzel. „Wenn die so weitermachen, haben wir in zwei, drei Jahren vielleicht nicht die Bundesgartenschau, aber allemal die Rehehausen-Gartenschau hier“, scherzt Cliff Rößler.
Der Holzbetriebswirt ist der Vorsitzende des vor fünf Jahren gegründeten Heimatvereins Rehehausen, der inzwischen stolze 46 Mitglieder zählt – also praktisch ein Drittel der Einwohnerschaft. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, zahlreiche Aktivitäten im Ort anzuschieben und zu organisieren“, hebt der 30-Jährige hervor, ehe er einen kleinen Einblick in das Jahresprogramm gibt. Ende März ist der kollektive Frühjahrs-, im September der Herbstputz angesagt. Dann werden Zäune gestrichen, bewaffnen sich die Rehehausener mit Eimern, Schaufeln und Besen, sammeln die Steppkes im Lißbach angeschwemmten Müll ein. „Wir wollen selbst anpacken, nicht nur Ansprüche stellen“, sagt Cliff Rößler, der Rehehausen gemeinsam mit Udo Nägler im Gemeinderat Lanitz-Hassel-Tal vertritt.
Nach dem Maifeuer am 30. April wird es am 11. Mai erstmals ein ganz neues Veranstaltungsformat geben – und zwar einen Weinspaziergang rund um Rehehausen. Die Wanderung soll über circa zehn Kilometer gehen – alle anderthalb bis zwei Kilometer schenken Winzer der Region an kleinen Ständen ihre Weine aus. Die Organisatoren vom Heimatverein hoffen auf große Resonanz.
„Die Saale-Weinmeile hat auch mal mit 300 Teilnehmern begonnen – heute kommen 20000 Leute“, scheut Silvio Frenzel den Vergleich selbst mit berühmten Vorbildern nicht. Immerhin: „Im Rahmen eines 2011 vom MDR initiierten Osterspaziergangs nach Thüringen sind schon einmal um die sieben-, achttausend Wanderer durch unseren Ort marschiert und wurden hier verköstigt. Wir können also auch in Groß“, meint Marlies Nägler schmunzelnd.
Großartig und in ganz besonderer Weise Identität und Zusammenhalt stiftend war die von ihr, Beate Massier sowie Evelyn Rößler angestoßene Sanierung der Dorfkirche von Rehehausen – die einen ungewöhnlichen Ausgangspunkt hatte. „In den Wintermonaten geht man ja eher selten vor die Tür, also haben wir uns am 23.12.2000 ganz gezielt zum gemeinsamen Glühweintrinken auf dem Dorfplatz verabredet. Irgendwie kam die Rede darauf, dass wir zwar eine Kirche im Dorf haben, in diese wegen Baufälligkeit aber nicht reinkönnen. Und daraus haben wir den Ehrgeiz entwickelt, das Gotteshaus zu sanieren“, schildert Marlies Nägler, die heute Vorsitzende des Gemeindekirchenrats ist. Die Kunde machte schnell die Runde – „und auch viele Einwohner, die der Kirche nicht angehören, haben bei den allwöchentlichen Feierabend-Einsätzen tatkräftig mitgeholfen“, hebt Beate Massier hervor.
Nach dem Maifeuer am 30. April wird es am 11. Mai erstmals ein ganz neues Veranstaltungsformat geben – und zwar einen Weinspaziergang rund um Rehehausen. Die Wanderung soll über circa zehn Kilometer gehen – alle anderthalb bis zwei Kilometer schenken Winzer der Region an kleinen Ständen ihre Weine aus. Die Organisatoren vom Heimatverein hoffen auf große Resonanz.
„Die Saale-Weinmeile hat auch mal mit 300 Teilnehmern begonnen – heute kommen 20000 Leute“, scheut Silvio Frenzel den Vergleich selbst mit berühmten Vorbildern nicht. Immerhin: „Im Rahmen eines 2011 vom MDR initiierten Osterspaziergangs nach Thüringen sind schon einmal um die sieben-, achttausend Wanderer durch unseren Ort marschiert und wurden hier verköstigt. Wir können also auch in Groß“, meint Marlies Nägler schmunzelnd.
„Mit dem Klingelbeutel haben wir zudem um Spenden gebeten. Und weil da ganz schön was zusammenkam, war die Verpflichtung, das Projekt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, nur noch größer“, so die 56-Jährige. „Wir haben den Fußboden saniert, kaputte Bleiglas-Fenster ausgetauscht und die Kirchenbänke erneuert – übrigens inklusive elektrischer Sitzheizung !“
Der 23. Dezember hat seine besondere Stellung im Kalender der Rehehausener behalten. „Wir treffen uns da nach wie vor auf dem Dorfplatz. Viele bringen Glühwein mit, der dann in einem großen Kessel zusammengegossen und erhitzt wird. Auch der Würstchengrill wird angeworfen; später kommen die Posaunenbläser und spielen ein Ständchen“, beschreibt Silvio Frenzel das Kult-Event.
Ein solches ist auch Rehehausens alljährliche Kirmes, die stets am zweiten Wochenende nach dem Totensonntag stattfindet. „Von Freitag bis Montag steigt dann in dem von uns aufgebauten großen Festzelt eine zünftige Sause mit fetziger Tanzmusik, die tatsächlich vom 14- bis zum 70-Jährigen alle Generationen zu vereinen weiß“, so Silvio Frenzel. Manche Rehehausener nähmen für das lange Wochenende sogar eigens Urlaub.
Bei soviel Gemeinschaftssinn und Fröhlichkeit: Gibt es nicht auch irgendetwas, was die Dorfeinwohner nervt oder ärgert? „Nö“, insistiert Cliff Rößler mit einem Augenzwinkern, um dann ernsthaft fortzufahren: „Ein kleiner Aufreger und ein Sorgenkind ist die Straße von Rehehausen nach Großheringen.
Die war Ende der 1970-er Jahre ein weiterer Ausweis der Zusammengehörigkeit und zupackenden Mentalität unserer Einwohner, die damals in Eigeninitiative ausrangierte Eisenbahnschwellen zusammengetragen und die Piste nach Art einer ,Panzerstraße’ befestigt hatten“, erzählt Silvio Frenzel. Doch 40 Jahre später sei der etwa 800 Meter lange Streckenabschnitt in einem beklagenswerten Zustand und ein natürlicher Feind aller Reifen und Fahrwerke. „Hier muss dringend Abhilfe her.“
Dass Rehehausen mit seiner Tallage überdies nur ein sehr schwaches Mobilfunksignal empfängt und noch keine schnelle Internet-Anbindung hat, sei Fluch und Segen zugleich, findet Marlies Nägler. „Auch mal nicht erreichbar zu sein, ist ja durchaus entlastend – aber wer darauf angewiesen ist, hat ein Problem.“
Heimatvereins-Chef Cliff Rößler blickt derweil auf die Vorhaben, die er und seine vielen Mitstreiter in diesem Jahr noch anpacken wollen. Neben der Etablierung des Weinspaziergangs gilt das Augenmerk den abschließenden Sanierungsarbeiten an Dach und Fassade des einstigen Feuerwehrgerätehauses, das zu einem Gemeinschaftstreff aus- und umgebaut wurde. „Drinnen ist schon alles schick; da haben wir im Sommer 2018 bereits Fußball-WM geguckt“, so Rößler. Wie man es auch drehe und wende: „Wir leben einfach im schönsten Dorf der Welt!“
Fotos: Andreas Löffler / Naumburger Tageblatt